Am Samstag, den 24.02.2018, folgten 200 Menschen dem Aufruf des Ortenauer Gesundheitsbündnisses zur zweiten Demonstration gegen das Modell „Landrat“ und für den Erhalt und Ausbau der ortenauer Kliniken. Eine bunte Mischung aus Gewerkschafter*innen, Anhänger*innen der Partei Die Linke, Angestellten der ortenauer Kliniken und vielen Einzelpersonen zog lautstark durch die Offenburger Innenstadt.
Dass die Durchkapitalisierung aller Gesellschaftsbereiche auch vor der Gesundheitsversorgung nicht halt macht, ist in anderen Ländern schon längst eine Binsenweisheit und bitterer Alltag. So langsam wird diese Entwicklung auch in Deutschland schmerzhaft spürbar – für die Angestellten im Gesundheitssektor ebenso wie für die Patient*innen. Spätestens seit 2016 ist auch die ortenauer Kliniklandschaft betroffen: Von den neun existierenden Kliniken (Gengenbach, Lahr, Kehl, Ettenheim, Oberkirch, Achern, Offenburg (2) und Wolfach) soll nach dem Modell „Landrat“ (benannt nach Landrat Frank Scheerer) Gengenbach geschlossen und Kehl, Oberkirch und Ettenheim in sogenannte Portalkliniken umgewandelt werden. In Portalkliniken, von denen es schon etliche in Deutschland gibt, wird Patient*innen nur noch die Diagnose erstellt aber zur Behandlung werden sie dann an ein „richtiges“ Krankenhaus weiterverwiesen. Wenn mensch sich den Verlauf der Entwicklung hin zu diesen Plänen anschaut, wird schnell klar, dass es hier nicht um eine Professionalisierung oder gar Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Menschen und der Arbeitsbedingungen der Angestellten geht, sondern um Profitmaximierung, Einsparungen und Privatisierung. Der Filz von Politik und Kapital (hier namentlich z.B. Christian Keller, seit Juni 2016 Geschäftsführer von Ortenau Klinikum und 1999 Mitbegründer der CMK Krankenhausberatung GmbH, deren einziger Zweck es ist, Krankenhäuser wettbewerbsfähig zu machen…und fett Kohle abzusahnen.) ist offensichtlich aber nichts destotrotz trauriges Alltagsgeschäft im Kapitalismus. Einen guten Einblick zu den Hintergründen gibt die Broschüre des Bündnisses. Sie zeigt auch, dass mittelfristig mit noch mehr Schließungen zu rechnen ist.
Dank der Kampagne das Bündnisses kamen einige Oberbürgermeister ins Grübeln: „Vielleicht hätten wir das Modell „Landrat“ doch nicht so voreilig abnicken sollen.“ Sie zogen ihre vorbehaltslose Zustimmung zurück, dachten ein bischen nach und sprechen sich nun für den Erhalt der Klinik in ihrer Stadt aus. Sie tun dies zur Zeit noch eher auf der Schiene „mein“ Standort ist wichtiger, darum muss „meine“ Klinik erhalten werden. Doch dieses Konkurrenzdenken hat keine Zukunft: Jede Schließung wirkt sich auf alle anderen Kliniken, auf deren Angestellte und auf alle Patient*innen aus. Es kommt zu Verschlechterungen für alle.
Die Demo zog vom Bahnhof zum Rathaus. Es wurden Flugblätter und Broschüren verteilt, Sticker geklebt und Parolen wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Klinik klaut!“ oder „Gesundheit! Für alle! Kostenlos!“ gerufen. Die zweite Parole zeigt sehr schön, dass die Forderungen der Demonstrierenden nicht bei den wichtigen Rufen nach dem Erhalt und Ausbau der Kliniken und anderen Reformen stehen blieb. In einigen Reden wurde die Ursache des Übels benannt: In einer kapitalistischen Gesellschaft muss halt auch die Gesundheitsversorgung dran glauben und Profite abwerfen. Darum ist es nur recht und billig, wenn das Problem an der Wurzel angepackt wird und wir auf die Überwindung des Kapitalsimus hinarbeiten. Denn nur in einer Gesellschaft, in der wir nicht nach Profit streben, sondern die Wirtschaft bedarfsorientiert organisiert ist, kann es eine bedingungs- und kostenlose Gesundheitsversorgung für alle geben.
Schön war auch, dass sich durchweg mit den direkt Betroffenen der Pläne – den Angestellten und Patient*innen – solidarisiert wurde und dass zwei Pfleger*innen in ihren Reden von ihrem Klinikalltag und ihren Kämpfen berichteten. Klar wurde auch, dass wir mit immer mehr Angriffen auf unsere Gesundheitsversorgung rechnen müssen.
Die Demo endete, wo auch sonst, auf dem Vorplatz des Ortenauer Klinikums.
Ein Sprecher des Bündnisses kündigte an, dass sie den Druck auf die Politik aufrechterhalten werden, so lange bis das Modell „Landrat“ Geschichte ist.